VPK kritisiert zweifelhafte Behandlungsmethoden des Psychiaters Winterhoff und fordert ein gleichberechtigtes Miteinander der Professionen
Mit seinen Büchern hat der Psychiater Michael Winterhoff in den vergangenen Jahren die Bestsellerlisten gefüllt und hilfesuchenden Eltern, Psychologen und Pädagogen vermeintliche Orientierung und Hilfe angeboten. Als praktizierender Arzt hat er im Laufe der Jahre viele Kinder und Jugendliche behandelt, die heute zunehmend deutliche Kritik an seinen Behandlungsmethoden üben. Ein vielbeachteter Dokumentarfilm von Nicole Rosenbach hat das Vorgehen Winterhoffs nun genauer unter die Lupe genommen und entlarvt, welche gravierenden Auswirkungen Winterhoffs Behandlungsmethoden auf viele ihm anvertraute Kinder und Jugendliche wirklich hatte – und wie viele Mitwisser, Mitläufer und Unterstützer es offenbar gab.
„Unser Verband begrüßt es sehr, dass die schon lange von Fachleuten geäußerte Kritik am Vorgehen von Herrn Winterhoff nun endlich öffentlich diskutiert und kritisch hinterfragt wird. Die zweifelhaften Behandlungsmethoden und Diagnosestellungen und die höchst kritische Verabreichung von Medikamenten haben vielen Klienten von Herrn Winterhoff über die Jahre in großem Maße geschadet“, so Martin Adam, Präsident des Bundesverbandes privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V. (VPK). „Anstelle einer individuellen und wertschätzenden Auseinandersetzung mit den Bedarfen und Befindlichkeiten der ihm anvertrauten Kinder hat Herr Winterhoff offenbar bewusst falsche Diagnosen gestellt und dabei dauerhafte körperliche und seelische Beeinträchtigungen seiner Klienten in Kauf genommen.“
Doch wie konnte es überhaupt zu einer solchen Entwicklung kommen und wie ist es möglich, dass unzählige Kinder und Jugendliche den unseriösen Behandlungsmethoden des bekannten und in Deutschland medial gehypten Psychiaters jahrelang ausgesetzt waren, ohne dass die sie betreuenden Eltern, Vormünder oder das pädagogische Personal in den Jugendhilfeeinrichtungen aufmerksam wurden? „Genau diese Fragen müssen jetzt geklärt werden. Wir brauchen dringend strukturelle Verbesserungen, nicht nur in der Kinder- und Jugendhilfe, sondern vor allem auch in der Zusammenarbeit der unterschiedlichen Fachdisziplinen. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein solches Verhalten geduldet und Kindern und Jugendlichen auf diese Weise Schaden zugefügt wird“, so Martin Adam. „Auf der anderen Seite ist es aus unserer Sicht in keiner Weise nachvollziehbar, wie eine umstrittene Person wie Michael Winterhoff in den vergangenen Jahren durch die Medien überhaupt erst so bekannt gemacht, ja geradezu gefeiert wurde. Auch dies hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Herr Winterhoff in dieser Weise agieren und so viele Menschen mit seinen angeblich wissenschaftlich begründeten Behandlungsmethoden erreichen konnte. Hier trifft die Medien aus unserer Sicht eine nicht unerhebliche Mitverantwortung.“
Auch das von einigen Kritikern als „sektenhaft“ beschriebene Vorgehen dürfte über die Jahre dazu beigetragen haben, das System Winterhoff zu stärken. So scheint es dem Psychiater auf perfide Weise gelungen zu sein, eine nicht unbedeutende Anzahl an Verbündeten und Mitläufern zu gewinnen und die eigenen „Glaubenssätze“ über diese ganz bewusst in die Einrichtungen zu transportieren. Hier gilt es nun genau hinzuschauen und zu klären, wer wo Verantwortung zu übernehmen hat. Verlässliche Informationen über die Anzahl von Trägern, die mit Herrn Winterhoff in den vergangenen Jahren zusammengearbeitet haben, liegen noch nicht vor. „Die Kinder- und Jugendhilfe ist nicht so schlecht wie der Ruf, der in den Medien immer wieder transportiert wird“, so Martin Adam. „Im Gegenteil leistet der Großteil der Einrichtungen gute und gesellschaftlich wichtige Arbeit. Eine förderliche Entwicklung für Kinder und Jugendliche ist vor allem dann gegeben, wenn eine fachlich fundierte und selbstbewusste Jugendhilfe auf Augenhöhe mit der Kinder- und Jugendpsychiatrie und den Sorgeberechtigten zusammenarbeitet. Probleme entstehen vor allem dann, wenn einzelnen Beteiligten in diesem Prozess zu viel Macht zugesprochen wird.“
Im Januar 2021 ist ein reformiertes Kinder- und Jugendhilfegesetz in Kraft getreten. Neben der schrittweisen Umsetzung der Inklusion misst das neue Gesetz dem Kinderschutz und dessen Sicherstellung in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe eine besondere Bedeutung bei. „Oberste Priorität in unserer täglichen Arbeit müssen der Schutz, die Unterstützung und individuelle Begleitung der Kinder und Jugendlichen sein. Es darf nicht passieren, dass diese zu Opfern zweifelhafter Behandlungsmethoden von Ärzten werden, die eigene Interessen über die Gesundheit ihrer Patienten stellen. Als Verband werden wir die Aufarbeitung dieser Vorfälle in jeder Hinsicht unterstützen und alles dafür tun, damit derlei Geschehnisse zukünftig verhindert werden. Sollte uns dies nicht in überzeugender und nachhaltiger Weise gemeinsam gelingen, dann haben wir auf dem Weg zu mehr Kinderschutz gründlich versagt“, so Adam abschließend.
VPK-Bundesverband e.V.
Kontakt / Ansprechpartner
Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V. (VPK)
Bundesgeschäftsstelle: Albestraße 21, 12159 Berlin, Tel.: 030 / 89 62 52 37
Sophia Reichardt, Tel.: 030 / 58 84 07 41
E-Mail: reichardt@vpk.de
Internet: www.vpk.de
Hintergrund
Kurzbeschreibung VPK-Bundesverband e.V.
Der VPK-Bundesverband ist der einzige bundesweite Dachverband für private Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe. Er ist politisch und finanziell unabhängig und wird durch die Beiträge der Mitglieder der Landes- und Fachverbände finanziert, die auf Grundlage des Sozialgesetzbuches verschiedene Dienstleistungen in der Kinder- und Jugendhilfe erbringen.
Der VPK wird zur Interessenvertretung seiner Mitglieder gegenüber Politik und Gesellschaft aktiv. Er ist nach seinem Selbstverständnis qualitäts- und leistungsorientiert und in verschiedenen übergreifenden Gremien bundesweit vertreten. Der Verband wird in allgemeinen und grundsätzlichen Fragestellungen der Kinder- und Jugendhilfe initiativ, verfasst Stellungnahmen, unterhält eine Internetseite und gibt die Fachzeitschrift „Blickpunkt Jugendhilfe“ heraus.