Pressemitteilung "Impfpflicht in der Jugendhilfe?"

Pressemitteilung vom 24.01.2022

Impfpflicht in der Jugendhilfe? | Aktuelle Anpassungen im Infektionsschutzgesetz gefährden den Fortbestand wichtiger Betreuungsangebote und damit das Wohl von Kindern und Jugendlichen

Seit der Ende 2021 umgesetzten erneuten Anpassung des Infektionsschutzgesetzes stehen viele Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor einem Problem: In Ermangelung der Durchsetzungsfähigkeit einer allgemeinen Impfpflicht soll Verantwortung nun delegiert und Einrichtungen dazu verpflichtet werden, die Impfpflicht unter ihren Mitarbeitenden selbst umzusetzen. Dies erscheint insbesondere im Hinblick auf den eigentlichen Adressatenkreis der einrichtungsbezogenen Impfpflicht – medizinische und pflegerische Einrichtungen – unverhältnismäßig und stellt Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe vor große Probleme.

„Als Verband der Kinder- und Jugendhilfe sehen wir es als Teil unserer gesellschaftlichen Verantwortung an, die bundesweite Impfquote zu steigern und möglichst alle Mitarbeitenden in unseren Mitgliedseinrichtungen von einer Impfung zu überzeugen. Gleichzeitig muss die Auslegung des Gesetzes verhältnismäßig erfolgen und den tatsächlichen Gegebenheiten in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe entsprechen. Bisher sind wir ganz klar davon ausgegangen, dass Jugendhilfeeinrichtungen von der Neuregelung nicht betroffen sind, da diese grundsätzlich keine Orte mit besonderen Gefährdungen für die Gesundheit ihrer Bewohner sind. Aktuell zeichnet sich aber ab, dass das Gesetz in einigen Bundesländern nun so interpretiert wird, dass auch Einrichtungen der Jugendhilfe unter die ab Mitte März 2022 einrichtungsbezogene Impfpflicht fallen, sofern diese Kinder und Jugendliche mit seelischer Behinderung oder drohender seelischer Behinderung betreuen“, so Martin Adam, Präsident des VPK-Bundesverbandes e.V. „Diese Gruppe von jungen Menschen definiert sich aber über ihre seelischen Besonderheiten und nicht über akute oder chronische Grundkrankheiten, die ein erhöhtes Risiko für schwere oder sogar tödliche COVID-19-Krankheitsverläufe bergen. Aus diesem Grund lässt sich eine Zuordnung zur Kategorie der medizinischen oder pflegerischen Einrichtungen nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Die von uns betreuten jungen Menschen leiden unter psychischen Belastungen und traumatischen Störungen. Grundvoraussetzung für ihre Betreuung und Genesung sind stabile und haltgebende Strukturen sowie tragfähige, professionelle und langfristige Beziehungsangebote durch erfahrene Fachkräfte“, so Adam weiter.

Die aktuelle Anpassung des Infektionsschutzgesetzes setzt eben diese Stabilität in den Strukturen der Einrichtungen und in den Beziehungen der dort betreuten Kinder und Jugendlichen nun aufs Spiel. In völlig unverhältnismäßiger Weise wird in Kauf genommen, dass langjährige, überaus engagierte und für die Kinder und Jugendlichen wichtige Bezugspersonen kündigen und die Einrichtungen in einer Zeit des ohnehin schon dramatisch um sich greifenden Fachkräftemangels damit in existentielle Nöte bringen. Dies führt in Verbindung mit den zu erwartenden deutlich höheren Personalausfällen wegen COVID-19-Erkrankungen zu fast unlösbaren Personalproblemen in den Einrichtungen, die die Betreuung substanziell gefährden.

„Es ist unseren Trägern bisher erfolgreich gelungen, die Weiterverbreitung des Virus in den Einrichtungen zu verhindern. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben die jungen Men-schen in den vergangenen Monaten mit großem Verantwortungsbewusstsein und leiden-schaftlichem Engagement durch diese Pandemie begleitet und vor deren Gefahren geschützt. Im Gegensatz zu Pflegeeinrichtungen, in denen das Virus durch Angestellte in die Einrichtungen getragen wird, liegt das Gefahrenrisiko einer Infektionsübertragung in der Jugendhilfe bei den betreuten jungen Menschen, die das Virus aufgrund ihrer unterschiedlichen Außenkontakte in Schule oder Freundeskreis in die Einrichtung tragen können. Aber auch hier haben individuelles Verantwortungsbewusstsein, regelmäßiges Testen und die gegenseitige Rücksichtnahme dazu geführt, dass größere Krankheitsausbrüche stets verhindert werden konnten“, so Martin Adam.

Sollte die einrichtungsbezogene Impfpflicht zukünftig tatsächlich für zahlreiche Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe gelten, so können wichtige Angebote für junge Menschen auf-grund der durch Kündigungen und Überbelastung der verbleibenden Fachkräfte verursachten Personalausfälle künftig in vielen Fällen nicht mehr sichergestellt werden. Von den Auswirkungen werden betroffene Kinder und Jugendliche dann in ihrer Entwicklung und Gesundheit erheblich stärker gefährdet sein als bisher.

„Wir brauchen unverzügliche Klarheit in der Frage der Impfpflicht. Und wir brauchen ein Vor-gehen mit Augenmaß anstatt unverhältnismäßiger Regelungen zum Nachteil junger Men-schen. Der eigenverantwortliche Umgang von Einrichtungsleitungen und Fachkräften mit den Herausforderungen der Pandemie hat sich bewährt. Es spricht vieles dafür diesen Weg beizubehalten und die Einrichtungen darin zu bestärken und zu unterstützen“, so Adam abschließend.

VPK-Bundesverband e.V.

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Hintergrund

Der VPK-Bundesverband ist der einzige bundesweite Dachverband für private Träger der freien
Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe. Er ist politisch und finanziell unabhängig und wird durch die Beiträge der Mitglieder der Landes- und Fachverbände finanziert, die auf Grundlage des Sozialgesetzbuches verschiedene Dienstleistungen in der Kinder- und Jugendhilfe erbringen.
Der VPK wird zur Interessenvertretung seiner Mitglieder gegenüber Politik und Gesellschaft aktiv. Er ist nach seinem Selbstverständnis qualitäts- und leistungsorientiert und in verschiedenen übergreifenden Gremien bundesweit vertreten. Der Verband wird in allgemeinen und grundsätzlichen Fragestellungen der Kinder- und Jugendhilfe initiativ, verfasst Stellungnahmen, unterhält eine Internetseite und gibt die Fachzeitschrift „Blickpunkt Jugendhilfe“ heraus.