VPK-Positionierung "Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe"

Positionierung vom 01.02.2024

Inklusion in der Kinder- und Jugendhilfe

Präambel

Vor über 15 Jahren trat im Rahmen der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen in Kraft. Deutschland verpflichtete sich, bestehende Barrieren und Exklusionsaspekte im bereits bestehenden Hilfesystem abzubauen und eine gleichberechtigte Teilhabe für alle jungen Menschen zu ermöglichen. So war es ein bedeutender und längst überfälliger Schritt, dass die verantwortlichen Akteure in der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland im Jahr 2021 durch die Novellierung des SGB VIII gesetzlich dazu verpflichtet wurden, ihre pädagogischen Angebote inklusiv auszurichten.  

Im Rahmen eines breit angelegten Beteiligungsprozesses des BMFSFJ wurden die erforderlichen Strukturen diskutiert, auf deren Grundlage die Inklusion stufenweise umgesetzt werden soll. Alle beteiligten Akteure sind gefordert, in ihren jeweiligen Aufgaben- und Zuständigkeitsbereichen eigene Herangehensweisen, Denkstrukturen und Regelungen zu hinterfragen und sich zielführend und konstruktiv auf ein gemeinsames inklusives Handeln zu verständigen. Verfahrensvorschriften, unterschiedliche Altersgrenzen für Maßnahmen in den bisherigen Leistungssystemen, Leistungsangebote, Behörden- und Kostenzuständigkeiten, Gesetzesgrundlagen und Konzepte müssen neu geschrieben und neu gedacht werden. 2028 wird die Kinder- und Jugendhilfe in ihrer Gesamtzuständigkeit auf die Jugendämter übergehen und Hilfen für alle jungen Menschen – ob mit oder ohne Behinderung – werden dann aus einer Hand angeboten.  

Die gesetzlichen Neuerungen führen bei Trägern und Mitarbeitenden aufgrund einer Vielzahl an offenen Fragen zu Verunsicherung. Dies ist zum Teil verständlich. Gleichzeitig kann die bislang noch recht offene Ausgangslage aber auch als Chance genutzt werden, insbesondere dann, wenn wir unser Verständnis von Inklusion in einem weiten Rahmen fassen. Die Zusammenarbeit und das Zusammenleben von Menschen mit den unterschiedlichsten Biografien, Perspektiven und Merkmalen fördert Vielfalt, bekämpft Diskriminierung und verwirklicht Chancengleichheit. Damit der Reformprozess gelingen kann ist es aus Sicht des VPK erforderlich, die Haltung in der Gesellschaft grundlegend neu auszurichten. Offenheit, gegenseitige Toleranz und Akzeptanz sind für ein inklusives Verständnis und den Erfolg des Reformprozesses notwendig. Nur so kann Chancengleichheit für alle Bürger*innen mit und ohne Behinderung verwirklicht werden.  

Die Haltung des VPK

Der VPK versteht Inklusion als gelebte Vielfalt, die darauf abzielt, allen Menschen – unabhängig von Alter, sozialer Herkunft, Art der Beeinträchtigung, Geschlecht, sexueller Orientierung und sonstiger individueller Merkmale und Fähigkeiten – die gleichen Chancen und Aufwachsensbedingungen in unserer Gesellschaft zu ermöglichen. Mit einem weiten Verständnis von Inklusion im pädagogischen Alltag werden die Einzigartigkeit und Individualität der in unseren Einrichtungen lebenden und arbeitenden Menschen unterstützt und gefördert. Somit ist Inklusion weniger als ein Terminus, als vielmehr eine klare Haltung zu verstehen: eine Haltung der Offenheit, gegenseitiger Wertschätzung und Akzeptanz. Die Mitgliedseinrichtungen des VPK zeichnen sich durch eine Vielfalt an ausdifferenzierten pädagogischen Angeboten aus. So leben wir Inklusion bereits heute in unseren Einrichtungen, indem wir junge Menschen mit unterschiedlichsten Fähigkeiten und Bedürfnissen betreuen und eine Kultur des Respekts und der Toleranz fördern. Unsere Einrichtungen sind in der Region vernetzt und in die örtlichen Strukturen integriert. In diesem sozialen Umfeld leben, wohnen und arbeiten die von uns betreuten Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Dies ist gelebte Inklusion und Integration. Dabei ist stets der individuelle Bedarf das Maß der Dinge. Wir entwickeln Angebotsformen kontinuierlich inklusiv weiter. Dabei sind wir uns bewusst, dass für eine erfolgreiche Umsetzung von Inklusion im Alltag der Kinder- und Jugendhilfe umfangreiche und langfristige gesellschaftliche Anstrengungen notwendig sind. So wird beispielsweise ohne weitreichende Veränderungen und Reform des „Systems Schule“ Inklusion regional nicht gelingen können.

Der VPK spricht sich für den Erhalt eines spezifischen und am Hilfebedarf einzelner Zielgruppen ausdifferenzierten individuellen Leistungsangebots aus. Inklusion bedeutet für uns, dass die spezifischen bedarfsorientierten und professionellen Hilfeangebote weiterhin zur Verfügung stehen. Die Angebote müssen sich am individuellen Wunsch und den Bedarfen der jungen Menschen und deren Erziehungsberechtigten orientieren. Differenzierungen des Leistungsangebots sind aus Sicht des VPK nach wie vor unabdingbar, um auf die Bedürfnisse junger Menschen im Rahmen von Erziehung, Entwicklung, Bildung und sozialer Teilhabe auch bedarfsgerecht eingehen und passende Angebote sicherstellen zu können.  

Damit steht der Verband fernab jeglicher Idealisierung für eine realistische, passgenaue und an den individuellen Bedarfen von Kindern und Jugendlichen ausgerichtete Umsetzung von Inklusion. Mit diesem Verständnis von Inklusion stellen wir die strukturellen Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche und professionelle Kinder- und Jugendhilfe auch in Zukunft sicher.  

Ziel ist und muss es sein, mit diesem Reformprozess allen Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen die Verwirklichung des Rechts auf gleichberechtigte Teilhabe am gesamtgesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Hierzu will der VPK seinen Beitrag leisten.

VPK-Bundesverband e.V.
Berlin, Februar 2024
 

Kontakt / Ansprechpartner
Bundesverband privater Träger der freien Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe e.V. (VPK)
Bundesgeschäftsstelle: Albestraße 21, 12159 Berlin, Tel.: 030 / 89 62 52 37
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E-Mail: reichardt@vpk.de
Internet: www.vpk.de Twitter: https://twitter.com/VPK_de Instagram: @vpk_de

Hintergrund

Der VPK-Bundesverband ist der einzige bundesweite Dachverband für private Träger der freien
Kinder-, Jugend- und Sozialhilfe. Er ist politisch und finanziell unabhängig und wird durch die Beiträge der Mitglieder der Landes- und Fachverbände finanziert, die auf Grundlage des Sozialgesetzbuches verschiedene Dienstleistungen in der Kinder- und Jugendhilfe erbringen.
Der VPK wird zur Interessenvertretung seiner Mitglieder gegenüber Politik und Gesellschaft aktiv. Er ist nach seinem Selbstverständnis qualitäts- und leistungsorientiert und in verschiedenen übergreifenden Gremien bundesweit vertreten. Der Verband wird in allgemeinen und grundsätzlichen Fragestellungen der Kinder- und Jugendhilfe initiativ, verfasst Stellungnahmen, unterhält eine Internetseite und gibt die Fachzeitschrift „Blickpunkt Jugendhilfe“ heraus.